Teillegalisierung von Cannabis: Kiffen am Arbeitsplatz?

Ein Joint liegt auf einer Laptop-TastaturArbeitgeber sollten in betrieblichen Regelungen festhalten, dass der Konsum von Cannabis auf dem Firmengelände verboten ist. Foto: iStock.com/José Antonio Luque Olmedo

Seit dem 01.04.2024 sind in Deutschland der Besitz, der private Anbau und der Konsum bestimmter Mengen Cannabis für Erwachsene erlaubt. Das heißt aber nicht, dass nun auch am Arbeitsplatz ein Joint geraucht werden darf, erklärt Kenan Kuruoglu, Rechtsanwalt bei der En Garde Rechtsanwälte PartG mbB in Reutlingen. 

Welche Maßnahmen sollten Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Teillegalisierung von Cannabis ergreifen?

Arbeitgeber haben – analog zum Verbot von Alkohol oder anderen Drogen – das Recht, ihren Arbeitnehmern den Konsum von Cannabis auf dem kompletten Betriebsgelände zu verbieten. Dies sollte in entsprechenden betrieblichen Regelungen oder Betriebsvereinbarungen festgehalten werden. Besteht ein Betriebsrat, sind hierbei dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten. Auch in den Arbeitsverträgen kann das Verbot verankert werden.

Was tun, wenn ein Arbeitnehmer erkennbar bekifft am Arbeitsplatz erscheint?

Neben dem genannten Weisungsrecht hat der Arbeitgeber auch eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern. Er trägt also während der Arbeitszeit die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten. Nach den Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) dürfen sich Versicherte durch den Konsum von berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere bei der Arbeit gefährden. Stellt der Arbeitgeber fest, dass ein Arbeitnehmer dennoch durch den Konsum von Cannabis oder anderen Rauschmitteln nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, muss er ihn unverzüglich vom Arbeitsplatz entfernen oder ihm den Zutritt zum Arbeitsplatz verweigern. Auch das geht aus den DGUV-Vorschriften hervor.

Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in diesem Fall den Lohn kürzen?

Ja. Ist ein Arbeitnehmer durch ein Beschäftigungsverbot an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert, bleibt er infolge seines Cannabiskonsums unentschuldigt der Arbeit fern oder ist er nicht in der körperlichen und geistigen Verfassung, seine Arbeitsleistung (gefahrlos) zu erbringen, folgt hieraus der zeitanteilige Verlust seines Vergütungsanspruchs. Es gilt der arbeitsrechtliche Grundsatz: ohne Arbeit kein Lohn. Bei einer diagnostizierten Cannabisabhängigkeit kommt allerdings ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Betracht, da eine Drogenabhängigkeit eine Krankheit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes ist.

Ist ein Joint in der Mittagspause oder nach Feierabend erlaubt?

Grundsätzlich endet die Einflussnahme des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer „am Werkstor“. Der Arbeitnehmer kann außerhalb des Betriebs also grundsätzlich tun und lassen, was er möchte – dazu zählt auch der Konsum von Cannabis. Eine Ausnahme besteht jedoch immer dann, wenn außerbetriebliches Verhalten die Arbeitsleistung negativ beeinflusst: Der Arbeitnehmer schuldet seinem Arbeitgeber grundsätzlich eine ungetrübte Arbeitsleistung. Das heißt, er muss nicht nur arbeitswillig, sondern zugleich auch arbeitsfähig sein. Bringt sich der Arbeitnehmer durch den Drogenkonsum in einen Zustand, in dem er seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht erfüllen kann oder sich oder andere gefährdet, ist Kiffen also auch außerhalb der Arbeitszeit unzulässig.

Ist regelmäßiger Cannabiskonsum ein Kündigungsgrund?

Ja. Kann der Arbeitnehmer seinen Cannabiskonsum noch bewusst steuern, verletzt damit jedoch regelmäßig seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Ihr muss aber in der Regel eine Abmahnung vorausgehen. Nur in Fällen, in denen die Pflichtverletzung des Arbeitsnehmers besonders schwer wiegt oder die Annahme besteht, dass die Abmahnung keinen Erfolg verspricht (etwa weil sich der Arbeitnehmer uneinsichtig zeigt), kann darauf verzichtet werden. Für Arbeitnehmer in Berufen, die mit hohem Gefahrenpotential für sich oder Dritte verbunden sind, gelten strengere Maßstäbe.

Was ist, wenn beim Arbeitnehmer eine offensichtliche Cannabisabhängigkeit vorliegt?

Ist der Arbeitnehmer aufgrund einer Abhängigkeit nicht mehr in der Lage, seinen Konsum bewusst zu steuern, und leiden darunter auf Dauer seine Arbeitsergebnisse, kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Da die Sucht eine Krankheit im medizinischen Sinne darstellt, setzt die Kündigung jedoch das Bestehen einer negativen Prognose voraus. Zudem muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung eine Rehabilitationsmaßnahme ermöglichen. Erst wenn er dieser nicht nachkommt oder diese erfolglos verläuft, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Ist auch eine sofortige fristlose Kündigung aufgrund übermäßigen Cannabiskonsums grundsätzlich denkbar?

Ja, diese setzt aufgrund ihrer Eingriffsintensität für den Arbeitnehmer jedoch das Bestehen eines wichtigen Kündigungsgrundes voraus. Konkret bedeutet dies, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar sein muss. Wann eine Unzumutbarkeit vorliegt, wird wiederum durch eine Interessenabwägung bestimmt. Die fristlose Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes – also etwa eines schweren Betriebsunfalls infolge Cannabiskonsums – ausgesprochen werden.

Autor: Kenan Kuruoglu, Rechtsanwalt bei der En Garde Rechtsanwälte PartG mbB in Reutlingen